Letter (field post) from Adolf Neufeld to Egon Schiele
        
        ESDA ID
    
    
        1294
    
        Nebehay 1979
    
    
        1216, nicht vollst. transkribiert/not fully transcribed
    
        Credit line
    
    
        Courtesy Kallir Research Institute, New York
    
        Date
    
    
        3rd June 1917 (handwritten)
    
        Material/technique
    
    
        Black ink on paper
    
        Dimensions
    
    
        17,5 x 11,4 cm
9,3 x 11,8 cm (envelope)
9,3 x 11,8 cm (envelope)
        Transcription
    
    
        Feldpost 397 3/VI 1917
Lieber Herr Schiele!
Ihren werten Brief vom
21. v. Mts. [voriges Monats] habe ich erst heute
erhalten und freut es mich sehr
wieder von Ihnen zu hören.
Das Erscheinen einer Mappe
Ihrer Zeichnungen war mir bereits
bekannt; jetzt, nachdem ich erfahre,
daß dieselbe schon erschienen ist,
habe ich meine Bestellung an
Lanyi abgeschickt. Leider kann
ich die Mappe nicht in’s Feld
bekommen und so erst gelegentlich
eines Urlaubes sehen; mit dem
Genusse daher bis zu dieser Zeit
warten. Der nicht endenwollende
Krieg lehrt Einen [!] übrigens
warten und dulden; vielleicht
ist dies eine ganz gute Schule
||
2.
und macht [xxx] viele
Menschen denkender und
zu tieferen Empfindungen fähiger
und so letzten Endes auch für
das Verständnis der neuen Kunst
empfänglicher. Wer weiss, ob
nicht der vor dem Kriege auf
der Menschheit lastende Alpdruck
das Entstehen der neuen Kunst
– ich denke in erster Linie an
den Expressionismus – förderte?
Ich bin überzeugt, daß nach
dem Kriege – ich erwarte
mit schmerzlicher Ungeduld diese
Zeit – viele neue Freunde
der neuen Kunst – also auch
Ihrer Kunst – entstehen werden.
Ich bedauere sehr
||
daß ich die Kriegsausstellung
nicht sehen kann. Ich werde
mir jedenfalls den Katalog
senden lassen und im Geiste
einen Spaziergang durch
dieselbe machen. Im Sinne
Ihrer Mitteilungen scheint das
die erste Kriegsausstellung zu
sein die nicht nur Pseudo-
Kunst bringt.
Gegenwärtig bin ich
in einer trostlos-öden Gegend
und leider nur von Menschen
umgeben, mit denen man, ausser
dem üblichen, obligatorischen Gesprächsstoff
der Offizierskreise nur noch
über das ersehnte Kriegsende
||
und politische Probleme sprechen
kann.
Es würde mich ausserordentlich
freuen, bald wieder von Ihnen
Nachrichten zu erhalten und
verbleibe bis dahin mit
freundlichen Grüßen
Ihr
A. Neufeld Oblt. [Oberleutnant]
Div. Mun. Park 51
Feldpost 397
[Kuvert:]
Feldpostbrief
Wolg.[eboren]
Herrn
Egon Schiele
Wien XIII
Hietzinger Hauptstr.[aße] 101
||
Absender: Oblt. A. Neufeld
Div. Mun. Park 51
Feldpost 397
Lieber Herr Schiele!
Ihren werten Brief vom
21. v. Mts. [voriges Monats] habe ich erst heute
erhalten und freut es mich sehr
wieder von Ihnen zu hören.
Das Erscheinen einer Mappe
Ihrer Zeichnungen war mir bereits
bekannt; jetzt, nachdem ich erfahre,
daß dieselbe schon erschienen ist,
habe ich meine Bestellung an
Lanyi abgeschickt. Leider kann
ich die Mappe nicht in’s Feld
bekommen und so erst gelegentlich
eines Urlaubes sehen; mit dem
Genusse daher bis zu dieser Zeit
warten. Der nicht endenwollende
Krieg lehrt Einen [!] übrigens
warten und dulden; vielleicht
ist dies eine ganz gute Schule
||
2.
und macht [xxx] viele
Menschen denkender und
zu tieferen Empfindungen fähiger
und so letzten Endes auch für
das Verständnis der neuen Kunst
empfänglicher. Wer weiss, ob
nicht der vor dem Kriege auf
der Menschheit lastende Alpdruck
das Entstehen der neuen Kunst
– ich denke in erster Linie an
den Expressionismus – förderte?
Ich bin überzeugt, daß nach
dem Kriege – ich erwarte
mit schmerzlicher Ungeduld diese
Zeit – viele neue Freunde
der neuen Kunst – also auch
Ihrer Kunst – entstehen werden.
Ich bedauere sehr
||
daß ich die Kriegsausstellung
nicht sehen kann. Ich werde
mir jedenfalls den Katalog
senden lassen und im Geiste
einen Spaziergang durch
dieselbe machen. Im Sinne
Ihrer Mitteilungen scheint das
die erste Kriegsausstellung zu
sein die nicht nur Pseudo-
Kunst bringt.
Gegenwärtig bin ich
in einer trostlos-öden Gegend
und leider nur von Menschen
umgeben, mit denen man, ausser
dem üblichen, obligatorischen Gesprächsstoff
der Offizierskreise nur noch
über das ersehnte Kriegsende
||
und politische Probleme sprechen
kann.
Es würde mich ausserordentlich
freuen, bald wieder von Ihnen
Nachrichten zu erhalten und
verbleibe bis dahin mit
freundlichen Grüßen
Ihr
A. Neufeld Oblt. [Oberleutnant]
Div. Mun. Park 51
Feldpost 397
[Kuvert:]
Feldpostbrief
Wolg.[eboren]
Herrn
Egon Schiele
Wien XIII
Hietzinger Hauptstr.[aße] 101
||
Absender: Oblt. A. Neufeld
Div. Mun. Park 51
Feldpost 397
        Provenance
    
    
        Provenienz lt. Nebehay 1979: 
[Privatsammlung] P. 54
[Privatsammlung] P. 54
        Author
    
    
        Signee
    
    
        Recipient
    
    
Exhibitions
- 
                        KriegsausstellungKaisergarten, k. u. k. Prater, Vienna, 19th May–21st Oct. 1917
            PURL: https://www.egonschiele.at/1294
        
    
     
                                
                             
                                
                             
                                
                            