Manifesto by Egon Schiele
Dorotheum, Vienna
ESDA ID
2764
Nebehay 1979
Nicht gelistet/Not listed
Credit line
Private collection
Date
17th July 1911 (handwritten)
Material/technique
Black ink on paper
Dimensions
17,5 x 12,5 cm (page)
Transcription
17. Juli 1911.
Es gibt keine moderne Kunst, es gibt nur
eine Kunst und die ist immerwährend!
Das Kunstwerk kann man nicht besehn, sondern
man kann nur hineinschauen können,
und dazu sind wenige begabt, ich
danke Gott. – Die Menge ist natürlich
unmaßgebend für das Kunstwerk,
weil es die Menge ist, der Große,
ist einzig. – Immer ein göttlicher
Mensch führt die Masse! – Das
wirkliche Kunstwerk ist die Offenbarung
einer speziellen Künstlernatur, der
Gegenstand ist gleichgiltig [!], er ist
unsterblich. – Der Ruhestand eines
Menschen ist ein böses Zeichen der
Leblosigkeit in ihm. – Niemand sollte reif sein!
||
Für das Publikum sind Parkanlagen aber
nicht Kunstwerke, es ist zu roh um das
göttliche in jedem zu spüren, darum
braucht es Kirchen um sich einen Gott
vorstellen zu können, da er einstweilen
in einem Feld viel deutlicher atmet.
Die Göttlichkeit der großen Kunst wird
deshalb immer unsichtbarer, weil
man glaubt die Masse könne
urteilen, aber es ist nicht so wie
bei einer neuen (modernen) Schlacht.
Urteilen muß der Künstler selbst
über sich, ein zweiter kann über-
haupt nicht urteilen, weil er zu
klein ist dazu. – Nur ein größerer
als jener könnte urteilen also
muss der ein höherer Künstler
sein. – Sehe man doch endlich ab
von der lächerlichen Zwerghaftigkeit
der Masse! – Dass in Mödling
||
ein körperlich gewiegter Maler lebt glaub
ich, in dem Moment wo er übel nachredet
zeigt er selbst seine erbärmliche Armut!
Nach 50 Jahren wird man nichts wissen von ihm.
– Ja es ist richtig, der Künstler ist
berufen zum Künstler, nicht aber darf
er die Kunst als Beruf verwirklichen, also
wäre es ganz kleines Geschäft. –
Die Kunst geht eben nicht nach Brot,
eher das Kunstgewerbe in dem Moment
wo es praktisch wird. – Die Kunst
ist notwendig für kolossale Zeiträume.
Daß das Hirn nicht das Natürlichste
ist was man kennt weiß jeder Philister,
von ihm geht alles aus, auch das
Schaffen eines Kunstwerkes. – Die
Hand und das Auge sind Schlüssel zum
eröffnen! – Wissen und Wissenschaft
halte ich für Grundverschiedenes.
||
Also sei gesagt: daß der Künstler
einzig ist, daß er Herrscher,
Beherrscher über 100, 1000 und 10 000
ist, daß er nur für sich allein
schafft, weil es dasselbe ist wie
atmen.
Wie klein sind alle die die
Uniformen benötigen, Kaiser,
König, Staat, wie abhängig
sind sie von einem einzigen
Großen. –
Kaufen werdet Ihr niemals
Kunstwerke können, sie sind
unbezahlbar, es gibt keine
Summen dafür. Erwerbet Fragmente
eines Künstlers!
Egon Schiele.
Es gibt keine moderne Kunst, es gibt nur
eine Kunst und die ist immerwährend!
Das Kunstwerk kann man nicht besehn, sondern
man kann nur hineinschauen können,
und dazu sind wenige begabt, ich
danke Gott. – Die Menge ist natürlich
unmaßgebend für das Kunstwerk,
weil es die Menge ist, der Große,
ist einzig. – Immer ein göttlicher
Mensch führt die Masse! – Das
wirkliche Kunstwerk ist die Offenbarung
einer speziellen Künstlernatur, der
Gegenstand ist gleichgiltig [!], er ist
unsterblich. – Der Ruhestand eines
Menschen ist ein böses Zeichen der
Leblosigkeit in ihm. – Niemand sollte reif sein!
||
Für das Publikum sind Parkanlagen aber
nicht Kunstwerke, es ist zu roh um das
göttliche in jedem zu spüren, darum
braucht es Kirchen um sich einen Gott
vorstellen zu können, da er einstweilen
in einem Feld viel deutlicher atmet.
Die Göttlichkeit der großen Kunst wird
deshalb immer unsichtbarer, weil
man glaubt die Masse könne
urteilen, aber es ist nicht so wie
bei einer neuen (modernen) Schlacht.
Urteilen muß der Künstler selbst
über sich, ein zweiter kann über-
haupt nicht urteilen, weil er zu
klein ist dazu. – Nur ein größerer
als jener könnte urteilen also
muss der ein höherer Künstler
sein. – Sehe man doch endlich ab
von der lächerlichen Zwerghaftigkeit
der Masse! – Dass in Mödling
||
ein körperlich gewiegter Maler lebt glaub
ich, in dem Moment wo er übel nachredet
zeigt er selbst seine erbärmliche Armut!
Nach 50 Jahren wird man nichts wissen von ihm.
– Ja es ist richtig, der Künstler ist
berufen zum Künstler, nicht aber darf
er die Kunst als Beruf verwirklichen, also
wäre es ganz kleines Geschäft. –
Die Kunst geht eben nicht nach Brot,
eher das Kunstgewerbe in dem Moment
wo es praktisch wird. – Die Kunst
ist notwendig für kolossale Zeiträume.
Daß das Hirn nicht das Natürlichste
ist was man kennt weiß jeder Philister,
von ihm geht alles aus, auch das
Schaffen eines Kunstwerkes. – Die
Hand und das Auge sind Schlüssel zum
eröffnen! – Wissen und Wissenschaft
halte ich für Grundverschiedenes.
||
Also sei gesagt: daß der Künstler
einzig ist, daß er Herrscher,
Beherrscher über 100, 1000 und 10 000
ist, daß er nur für sich allein
schafft, weil es dasselbe ist wie
atmen.
Wie klein sind alle die die
Uniformen benötigen, Kaiser,
König, Staat, wie abhängig
sind sie von einem einzigen
Großen. –
Kaufen werdet Ihr niemals
Kunstwerke können, sie sind
unbezahlbar, es gibt keine
Summen dafür. Erwerbet Fragmente
eines Künstlers!
Egon Schiele.
Provenance
2019:
Dorotheum, Wien, Auktion Klassische Moderne 26.11.2019, Lot 4.
Dorotheum, Wien, Auktion Klassische Moderne 26.11.2019, Lot 4.
Author
Image credit
Dorotheum, Vienna
PURL: https://www.egonschiele.at/2764