Typewritten letter from Arthur Roessler to Egon Schiele
        Wienbibliothek im Rathaus, Manuscript Collection. Photo: Leopold Museum, Vienna
                    
        ESDA ID
    
    
        298
    
        Nebehay 1979
    
    
        169
    
        Credit line
    
    
        Wienbibliothek im Rathaus, Manuscript Collection, Inv. H.I.N. 180564
    
        Place
    
    
        Vienna
    
        Date
    
    
        4th Jan. 1911 (handwritten)
    
        Material/technique
    
    
        Pencil, typewriter on paper
    
        Dimensions
    
    
        28,7 x 22,5 cm (page)
    
        Transcription
    
    
        Lieber Schiele – zwischen uns muss „reiner Tisch“ gemacht werden. Verschiedene 
Vorkommnisse und eine besondere Unart Ihres Verhaltens mir gegenüber (wie
Bockigkeit, spionierende Briefschreiberei hinter meinem Rücken an dritte Per-
sonen und Tratsch) während der letzten Zeit, lassen es mir als geraten er-
scheinen Ihnen gegenüber einmal festzustellen:
1) dass ich für die Anfertigung von reproduktionsfähigen Kopien von den
mir von Ihnen gegebenen Platten 22 K.[ronen]
2) für 18 fotographische Aufnahmen nebst Kopien 90 K.
3) für Japanpapier 25 K.
4) für Malbretter, Tischtransport u. Diverses 12 K.
5) für mein Porträt u. einige Arbeiten Ihnen persönlich 265 K.
insgesamt also 414 Kronen zahlte.
Ausserdem bekamen Sie durch meine Vermittlung von Dr. Rainer [1] 200 K., von
Dr. Reichel [2] für die „Selbstseher“ [3] 100 K. Weitere Beträge erhielten Sie auf
meine Fürsprache hin von Kosmack, Rosenbaum, Schönthal [4] und Dr. Reichel (der
sich nur auf mein dringendes Zureden von Ihnen porträtieren liess [5] und Ihnen
für verschiedene Arbeiten cca. 500 K. zahlte). so dass nicht viel von 2000
Kronen fehlen wird, die Sie, fast zu einem Viertel von mir allein, seit Oktober
v.J. [vorigen Jahres] durch meine Bemühungen einnahmen.
Sie werden das ganz in der Ordnung finden – ich auch; ich fühlte mich
nur gedrängt Ihnen die vorstehend erwähnten Tatsachen ins Gedächtnis zu ru-
fen, weil ich mich nicht der Gefahr übler Nachrede aussetzen will, zu der Sie,
wie ich vorgestern erfuhr, bedauerlicherweise neigen. Ich weiss nicht ob und
was Sie über mich speziell sprachen – was mir im Grunde auch gleichgültig ist,
da ich Besseres zu tun habe als mich um müssiges Gerede zu kümmern – ich
weiss aber, dass Sie nicht reinen Mund halten, d. h. [das heisst] dass Sie anderen Leuten in
kindischer Renommiersucht weitererzählen, was ich Ihnen im Vertrauen auf Ihre
Fähigkeit zum Schweigen sagte. Was ich für sie tat, tat ich gern, und ich be-
dauere es auch heute nicht getan zu haben; glaube auch, dass Sie davon über-
zeugt sein können, dass ich Ihnen gern und uneigennützig half. Für Sie als
Künstler interessiere ich mich nach wie vor; ich werde auch fernerhin Ihrer
Einladung neue Arbeiten von Ihnen zu besichtigen Folge leisten, auch Arbeiten
von Ihnen käuflich erwerben, wenn meine Geldverhältnisse und Ihre Preise mir
dies erlauben, muss aber – und das ist ein Gebot der Vorsicht und meines Be-
dürfnisses nach Ruhe und Reinlichkeit – im übrigen meinen Verkehr mit Ihnen
einschränken bis Sie sich daran gewöhnten in Ihrem hoffentlich männlicher
werdenden Benehmen ebenso so viel vornehme Gesinnung und Kultiviertheit an den
Tag zu legen, wie Künstlerschaft in Ihren Arbeiten.
Sie sollten weniger beflissen sein Ihren Verkehr mit Klimt [6] zu kolportier-
en, als darauf bedacht, zeitweilig auch Oberbaurat Wagners [7] Verhalten zu erwäg-
en und wohlmeinende Freundschaft nicht geschmacklos zu brüskieren. Der Bluff
allein tut’s nicht, das dürfen Sie mir glauben.
Grüssend
A. R.-r.
4. Januar 1911
Vorkommnisse und eine besondere Unart Ihres Verhaltens mir gegenüber (wie
Bockigkeit, spionierende Briefschreiberei hinter meinem Rücken an dritte Per-
sonen und Tratsch) während der letzten Zeit, lassen es mir als geraten er-
scheinen Ihnen gegenüber einmal festzustellen:
1) dass ich für die Anfertigung von reproduktionsfähigen Kopien von den
mir von Ihnen gegebenen Platten 22 K.[ronen]
2) für 18 fotographische Aufnahmen nebst Kopien 90 K.
3) für Japanpapier 25 K.
4) für Malbretter, Tischtransport u. Diverses 12 K.
5) für mein Porträt u. einige Arbeiten Ihnen persönlich 265 K.
insgesamt also 414 Kronen zahlte.
Ausserdem bekamen Sie durch meine Vermittlung von Dr. Rainer [1] 200 K., von
Dr. Reichel [2] für die „Selbstseher“ [3] 100 K. Weitere Beträge erhielten Sie auf
meine Fürsprache hin von Kosmack, Rosenbaum, Schönthal [4] und Dr. Reichel (der
sich nur auf mein dringendes Zureden von Ihnen porträtieren liess [5] und Ihnen
für verschiedene Arbeiten cca. 500 K. zahlte). so dass nicht viel von 2000
Kronen fehlen wird, die Sie, fast zu einem Viertel von mir allein, seit Oktober
v.J. [vorigen Jahres] durch meine Bemühungen einnahmen.
Sie werden das ganz in der Ordnung finden – ich auch; ich fühlte mich
nur gedrängt Ihnen die vorstehend erwähnten Tatsachen ins Gedächtnis zu ru-
fen, weil ich mich nicht der Gefahr übler Nachrede aussetzen will, zu der Sie,
wie ich vorgestern erfuhr, bedauerlicherweise neigen. Ich weiss nicht ob und
was Sie über mich speziell sprachen – was mir im Grunde auch gleichgültig ist,
da ich Besseres zu tun habe als mich um müssiges Gerede zu kümmern – ich
weiss aber, dass Sie nicht reinen Mund halten, d. h. [das heisst] dass Sie anderen Leuten in
kindischer Renommiersucht weitererzählen, was ich Ihnen im Vertrauen auf Ihre
Fähigkeit zum Schweigen sagte. Was ich für sie tat, tat ich gern, und ich be-
dauere es auch heute nicht getan zu haben; glaube auch, dass Sie davon über-
zeugt sein können, dass ich Ihnen gern und uneigennützig half. Für Sie als
Künstler interessiere ich mich nach wie vor; ich werde auch fernerhin Ihrer
Einladung neue Arbeiten von Ihnen zu besichtigen Folge leisten, auch Arbeiten
von Ihnen käuflich erwerben, wenn meine Geldverhältnisse und Ihre Preise mir
dies erlauben, muss aber – und das ist ein Gebot der Vorsicht und meines Be-
dürfnisses nach Ruhe und Reinlichkeit – im übrigen meinen Verkehr mit Ihnen
einschränken bis Sie sich daran gewöhnten in Ihrem hoffentlich männlicher
werdenden Benehmen ebenso so viel vornehme Gesinnung und Kultiviertheit an den
Tag zu legen, wie Künstlerschaft in Ihren Arbeiten.
Sie sollten weniger beflissen sein Ihren Verkehr mit Klimt [6] zu kolportier-
en, als darauf bedacht, zeitweilig auch Oberbaurat Wagners [7] Verhalten zu erwäg-
en und wohlmeinende Freundschaft nicht geschmacklos zu brüskieren. Der Bluff
allein tut’s nicht, das dürfen Sie mir glauben.
Grüssend
A. R.-r.
4. Januar 1911
        Annotations
    
    
        [1] Max Reiner, Chirurg, Orthopäde (1867–1913). Für das Gemälde Reinerbub (Bildnis Herbert Reiner), 1910, K P167.
[2] Oskar Reichel, Internist (1869–1943).
[3] Selbstseher I, 1910, K P174.
[4] Eduard Kosmack, Verleger (1880–1947); Sigmund Rosenbaum, Besitzer einer Druckerei (1867–1945); Otto Schönthal (1878–1961).
[5] Bildnis Dr. Oskar Reichel, 1910, K P166.
[6] Gustav Klimt (1862–1918).
[7] Otto Wagner (1841–1918).
[2] Oskar Reichel, Internist (1869–1943).
[3] Selbstseher I, 1910, K P174.
[4] Eduard Kosmack, Verleger (1880–1947); Sigmund Rosenbaum, Besitzer einer Druckerei (1867–1945); Otto Schönthal (1878–1961).
[5] Bildnis Dr. Oskar Reichel, 1910, K P166.
[6] Gustav Klimt (1862–1918).
[7] Otto Wagner (1841–1918).
        Provenance
    
    
        Nachlass Arthur Roessler
1956, 1963, 1969:
Wienbibliothek im Rathaus
1956, 1963, 1969:
Wienbibliothek im Rathaus
        Recorded in
    
    
        Glück 1969, S. 209, Nr. 17
    
        Author
    
    
        Signee
    
    
        Recipient
    
    
        Mentioned person
    
    
        Image credit
    
    
        Wienbibliothek im Rathaus, Manuscript Collection. Photo: Leopold Museum, Vienna
    
Linked objects
            PURL: https://www.egonschiele.at/298
        
    
     
                                
                             
             
             
            