Kondolenzschreiben von Hans Ankwicz-Kleehoven an Marie Schiele zum Tod von Egon und Edith Schiele
Albertina, Wien
ESDA ID
2615
Nebehay 1979
Nicht gelistet/Not listed
Bestandsnachweis
Albertina, Wien, Inv. ESA 968 a (Kuvert), 968 b (Brief)
Ort
Wien
Datierung
24.11.1918 (eigenhändig)
Material/Technik
Schwarze Tinte auf Papier
Maße
20,7 x 15,8 cm (Seite)
11 x 16,7 cm (Kuvert)
11 x 16,7 cm (Kuvert)
Transkription
Wien, 24. XI. 1918.
Verehrte gnädige Frau!
Erst vor einigen Tagen vom Piave zurück-
gekehrt, habe ich mir tiefster Erschütterung
von dem Ableben Ihres von mir so hoch geschätz-
ten Sohnes und dessen junger Gattin Kunde
erhalten und beeile mich nun, wenn auch
mit arger Verspätung, Ihnen den Ausdruck
meines innigsten Beileides zu übermitteln.
Unsere Kunst hat in Ihrem Sohne eines der
stärksten und originellsten Talente verloren
und wir, die wir ihm nähertreten durften,
überdies einen liebenswürdigen und liebens-
werten Menschen, der uns sicherlich dereinst
ein Führer geworden wäre. Mir persönlich,
der ich den Werken Ihres Sohnes seit jeher
das wärmste Interesse entgegengebracht
und bereits eine kleine „Schiele-Sammlung“
anzulegen begonnen habe, erscheint sein
||
Tod als ein Schlag, der nicht nur unser
ganzes Kunstleben, sondern auch mich selbst
aufs schwerste getroffen hat, denn ich hatte
in Ihrem Sohne nach Klimts Tode das Haupt
der Wiener Kunst gesehen und die stärksten
Hoffnungen für ein Aufblühen unserer Wiener
Richtung in ihn gesetzt. Nun ist er dahin
und ich sehe keinen, der sich Ihrem Sohne
ebenbürtig zeigte. Da mir die Kunst Her-
zenssache ist, empfinde ich das, wie ge-
sagt, aufs schmerzlichste und berührt das
mich tiefer als all die Umwälzungen
auf politischem Gebiete.
Gerne würde ich, wenn gnädige Frau sich
davon trennen wollten, noch das eine oder
andere Blatt aus den Handzeichnungen
Ihres Sohnes für meine Schiele-Sammlung
erwerben. Die Zeichnungen von ihm, die ich
seinerzeit von ihm selbst erstand, gehören zu
meinen schönsten Stücken, ich hätte insbesondere
darauf Wert gelegt auch eine Landschaftsskizze
||
von ihm zu besitzen und hatte mir schon im
Felde vorgenommen, ihn nach meiner Rück-
kehr um Überlassung eines solchen Blattes
zu bitten. Nun wende ich mich deshalb an
gnädige Frau und wäre Ihnen dankbar, wenn
sie mir diesbezüglich ein paar Zeilen zu-
kommen ließen.
Indem ich den Ausdruck meiner wärmsten
Anteilnahme an Ihrem schweren Verluste
wiederhole, bin ich
Ihr ganz ergebener
Dr Hans von Ankwicz
Kustosadjunkt am Österr.[eichischen] Museum
für Kunst und Industrie
Wien VIII., Florianig.[asse] 20
||
Fräulein
Tontschi
Nowak (Sekretärin)
Wien XIX.
Barawitzkagaße 34.
[Kuvert:]
Hochwohlgeboren
Frau Marie Schiele
[durchgestr.:]
Wien XIII.
Hietzinger Hauptstr.[aße]
Nr. 114
[von anderer Hand:]
VI Gfrornerg[asse] 7
||
Abs.[ender] Dr Hans v. Ankwicz, Wien VIII.
Florianig.[asse] 20
Verehrte gnädige Frau!
Erst vor einigen Tagen vom Piave zurück-
gekehrt, habe ich mir tiefster Erschütterung
von dem Ableben Ihres von mir so hoch geschätz-
ten Sohnes und dessen junger Gattin Kunde
erhalten und beeile mich nun, wenn auch
mit arger Verspätung, Ihnen den Ausdruck
meines innigsten Beileides zu übermitteln.
Unsere Kunst hat in Ihrem Sohne eines der
stärksten und originellsten Talente verloren
und wir, die wir ihm nähertreten durften,
überdies einen liebenswürdigen und liebens-
werten Menschen, der uns sicherlich dereinst
ein Führer geworden wäre. Mir persönlich,
der ich den Werken Ihres Sohnes seit jeher
das wärmste Interesse entgegengebracht
und bereits eine kleine „Schiele-Sammlung“
anzulegen begonnen habe, erscheint sein
||
Tod als ein Schlag, der nicht nur unser
ganzes Kunstleben, sondern auch mich selbst
aufs schwerste getroffen hat, denn ich hatte
in Ihrem Sohne nach Klimts Tode das Haupt
der Wiener Kunst gesehen und die stärksten
Hoffnungen für ein Aufblühen unserer Wiener
Richtung in ihn gesetzt. Nun ist er dahin
und ich sehe keinen, der sich Ihrem Sohne
ebenbürtig zeigte. Da mir die Kunst Her-
zenssache ist, empfinde ich das, wie ge-
sagt, aufs schmerzlichste und berührt das
mich tiefer als all die Umwälzungen
auf politischem Gebiete.
Gerne würde ich, wenn gnädige Frau sich
davon trennen wollten, noch das eine oder
andere Blatt aus den Handzeichnungen
Ihres Sohnes für meine Schiele-Sammlung
erwerben. Die Zeichnungen von ihm, die ich
seinerzeit von ihm selbst erstand, gehören zu
meinen schönsten Stücken, ich hätte insbesondere
darauf Wert gelegt auch eine Landschaftsskizze
||
von ihm zu besitzen und hatte mir schon im
Felde vorgenommen, ihn nach meiner Rück-
kehr um Überlassung eines solchen Blattes
zu bitten. Nun wende ich mich deshalb an
gnädige Frau und wäre Ihnen dankbar, wenn
sie mir diesbezüglich ein paar Zeilen zu-
kommen ließen.
Indem ich den Ausdruck meiner wärmsten
Anteilnahme an Ihrem schweren Verluste
wiederhole, bin ich
Ihr ganz ergebener
Dr Hans von Ankwicz
Kustosadjunkt am Österr.[eichischen] Museum
für Kunst und Industrie
Wien VIII., Florianig.[asse] 20
||
Fräulein
Tontschi
Nowak (Sekretärin)
Wien XIX.
Barawitzkagaße 34.
[Kuvert:]
Hochwohlgeboren
Frau Marie Schiele
[durchgestr.:]
Wien XIII.
Hietzinger Hauptstr.[aße]
Nr. 114
[von anderer Hand:]
VI Gfrornerg[asse] 7
||
Abs.[ender] Dr Hans v. Ankwicz, Wien VIII.
Florianig.[asse] 20
Provenienz
Max Wagner, Wien
1954: Albertina, Wien (Legat)
1954: Albertina, Wien (Legat)
Eigentümer*in
Autor*in
Empfänger*in
Erwähnte Person
Abbildungsnachweis
Albertina, Wien
PURL: https://www.egonschiele.at/2615