Brief von Marie Schiele an Gertrude Schiele
Brief von Marie Schiele an Gertrude Schiele Bild 1
Brief von Marie Schiele an Gertrude Schiele Bild 2
Brief von Marie Schiele an Gertrude Schiele Bild 3
ESDA ID
359
Nebehay 1979
235, nicht vollst. transkribiert/not fully transcribed
Bestandsnachweis
Courtesy Kallir Research Institute, New York
Ort
Wien
Datierung
07.07.1911 (eigenhändig)
Material/Technik
Schwarze Tinte auf Papier
Maße
17,4 x 11 cm
Transkription
Wien, d.[en] 7/7. 1911.

Liebes Kind!
Dein Brief war so un-
vollständig, u. gab so wenig
Sicheres, Gewißes, betreff
des Punktes was unbe-
dingt notwendig wäre
an Möbel, – schreibe
ernstlich, ob nur das [xxx]-
cherbett od[er] noch eines
mitzubringen ist. –
Dann schriebst Du auf
der Karte „du komme“
du weißt doch, daß ich
den Antrag nach Otterthal
abschlug, um mit mei-
nen Kindern bei-
sammen sein zu
können. Mela [1] die
kommt doch auch – die
||
braucht unbedingt Erho-
lung, – der Artzt [!] meint
große Blutarmut Ner-
vosität, – sie weint oft
vor Schmerzen – deshalb
ersuche ich Euch als Mut-
ter verträglich zu sein,
nicht ihr die Erholung
bitter zu gestalten. –
2 Nächte macht sie schon
die ½ jährigen Rechnun-
gen was keinen Posten
od. Amt versieht, weiß
es nicht, wie schwer man
sein Brod verdient
Egon wird es auch schon
wißen die gebrate-
nen Vögel fliegen
nicht im Wind wie
auch Bruno meint! –
Daß du am 13ten
||
deinen Geburtstag hast
schon 17 Jahre werde
ich doch als Mutter am
Besten wißen ich
vergeße nie auf mei-
ne Kinder, aber mei-
ne Kinder auf mich.
Tante Louise hat keine
Schuhe – Olga gibt nichts
so werde ich dir wel-
che bringen – deine
Halbschuhe die noch nicht
gehohlt [!] sind bekommst,
neue Kappen Bandeln
u. Gummi Absätze! –
Was machst du immer? –
Ich gehe täglich um
5 Uhr im Liechtensteingar-
ten das ist mein lieb-
ster Gang. – Gestern
besorgte sich Mela sehr
||
hübsche Sachen Schuhe Strümpfe
etc. Was ist’s mit den Legi-
mationen? – Schicke sie.
Steffi ist sehr brav schleppt
auch, ich mache nichts – sie hat
soviel Wäsche noch gewaschen
außer was ich zur Hygiene
gab – heute bügelt sie. Die
Schmutz Wäsche lasse nur sie
wird schon Alles machen.
Egon werde ich auch die
Wäsche waschen wann ich [in] Kru-
mau bin – und wenn
er mit uns essen will
was mir lieber ist, soll er’s
nur thun. Egon grüßt zwar
nie die Mama du auch
nicht – dafür läßt ihn Mama
grüßen, gebt nur Obacht
in Allem ihr seid doch noch
unerfahren.
Ist der Nachtfauteuil leih-
weise zu haben was kommt
dafür.
Lebe wo[h]l u sei brav
Mit Herr Peschka [2] neuerliche
Auseinandersetzung
Deine Mama

[1. Seite, links:]
Ich dürfte am 16 wegfahren komme Abends an.
Anmerkungen
[1] Melanie Schiele (1886–1974).
[2] Anton Peschka (1885–1940).
Provenienz
Provenienz lt. Nebehay 1979:
Privatsammlung P. 3
PURL: https://www.egonschiele.at/359